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«Es geht immer um die Emotionen»

Als Fussballer war er einer der Besten. Als Trainer will er an diese Erfolge anknüpfen. Und er scheint auf dem besten Weg zu sein, dies zu erreichen: Murat Yakin, immer noch Fussballer aus Leidenschaft, Genussmensch und Cigarrenraucher.

Murat Yakin, Sie haben schon hunderte Interviews gegeben und sich sicher auch schon über Fragen geärgert. Ich fange deshalb so an: Welche Frage möchten Sie bei diesem Interview nicht gestellt bekommen beziehungsweise nicht beantworten?
Kein Problem - es gibt nichts, das ich nicht beantworten möchte. Ich bin immer offen und direkt.

Sein Berater, der neben ihm sitzt, sagt lachend: Fragen Sie ihn, wann er heiraten wird!

Würden Sie denn auf diese Frage antworten?
Yakin lacht ebenfalls, schüttelt aber den Kopf.

Gut, dann stellen wir sie auch nicht; Sie gelten ja als jemand, der sein Privatleben schützt. Kommen wir deshalb zum Thema Fussball: Zur Zeit steht ihr FC Thun nach Verlustpunkten an der Tabellenspitze, Gratulation (das Interview fand Mitte August statt)! Sind Sie damit und mir ihrer Leistung zufrieden?
Das darf man nicht überbewerten. Wir haben erst drei Spiele gespielt, deshalb sagt diese Position nicht viel aus. Aber zweifellos ist der gute Start sehr nützlich für unsere Arbeit

Was wollen, müssen und werden Sie noch verbessern? Was sind Ihre nächsten Ziele?
Die erste Phase des Kennenlernens ist abgeschlossen. Jetzt geht es darum, dass die Spieler meine Philosophie, meine Ideen, meine Strategie umsetzen. Dass ich zusammen mit ihnen Konstanz in ihre Leistungen bringe. Und dass sie ihrer Aufgabe gewachsen sind, dass sie Verantwortung übernehmen können und lernen, dem Druck standzuhalten.

Spüren Sie denn bereits Druck auf sich selber und auf die Mannschaft?
Auf mich selber nicht; ich bin ja den Druck aus meiner Zeit als Spieler auch schon gewöhnt. Aber es ist klar, dass gerade junge Spieler dazu neigen, rasch überheblich zu werden. Kaum hat man zwei, drei Spiele gewonnen, bekommt man das gelegentlich in Interviews, die sie geben, zu hören. Da muss ich ihnen jeweils sagen: Leute, bleibt auf dem Boden.

Wie gefällt es Ihnen in Thun?
Es ist spannend, die Mentalitäten zu erleben, die von Kanton zu Kanton unterschiedlich sind. Was jedoch überall gleich ist: Am Schluss zählt nur die Qualität.

Sie haben in Zürich und Basel gespielt und gelebt, waren auch im Ausland. Ist da Thun nicht einfach nur Provinz?
Es gefällt mir hervorragend in Thun, es ist einer der besten Orte zum arbeiten, und dies nicht nur wegen der wunderschönen Landschaft. Ich finde es zur Zeit sogar ausgesprochen gut, gerade von Zürich und Basel eine gewisse Distanz zu haben; in Thun ist es etwas ruhiger als dort, ich kann mich voll auf den Fussball und auf meinen Job konzentrieren. Daneben ist die örtliche Situation für mich optimal, weil ich zur Zeit noch das letzte Diplom meiner Trainer-Ausbildung, die UEFA-Pro-Lizenz, erfolgreich absolvieren will. Diese Ausbildung findet zum guten Teil in Bern und Magglingen statt, und so bin ich nahe bei der Mannschaft.

Sie waren für diese Saison auch als Trainer bei den Zürcher Grasshoppers im Gespräch. Wenn Sie jetzt die Situation von GC anschauen - der Club steht nach den ersten Spielen ziemlich weit hinten in der Rangliste und GC und sein Trainer haben einige Kritik einstecken müssen - sind Sie dann froh darüber, dass Sie bei Thun sind und nicht bei GC?
Es ist richtig, dass ich mit mehreren Clubs Gespräche geführt habe. Thun aber hat sich sehr um mich bemüht, wollte mich unbedingt haben. Nein, die Stelle hier in Thun ist für mich ein sehr logischer Schritt in meiner Karriere.

Bei GC ist die Gefahr wohl auch grösser, als Trainer auf die Nase zu fallen!
Auf die Nase fallen kann man überall. Sehen Sie, man muss als Trainer den Spielern überall das vermitteln, was man am besten kann, was einen früher selber ausgezeichnet hat. Ich will meinen Spielern hier in Thun die Gewinner-Mentalität vermitteln.

Wann, glauben Sie, werden Sie einen Super-League-Club trainieren?
Das steht in den Sternen. Aber selbstverständlich will ich Erfolg haben und weiter nach oben kommen. Ich will an den Erfolg als Spieler anknüpfen, ich habe immerhin fünf Meisterschafts- und drei Cup-Titel gewonnen - aber das ist vergänglich.

Das heisst, dass Sie sich auf eine lange Laufbahn als Trainer einstellen?
Fussball ist so spannend und herausfordernd, dass man immer weitermachen will. Als Spieler ist man nach dem Match zwar total kaputt, aber nach kurzer Zeit ist das vorbei, und man freut sich schon wieder auf das nächste Spiel. Es ist eine Leidenschaft, eine Sucht, und wenn die einen mal gepackt hat, lässt sie einen nicht mehr los. Es geht wie immer auch hier um die Emotionen.

Sie haben ja seinerzeit auch nur wegen einer Verletzung aufgehört.
Richtig. Wenn das nicht so gewesen wäre, würde ich gewiss heute noch spielen. Aber zuletzt mussten sie mich auf einer Bahre vom Platz tragen. Da wurde es mir klar, dass meine Zeit als Spieler vorbei war.

Spielen Sie überhaupt selber noch aktiv Fussball?
Das beschränkt sich darauf, dass ich meinen Spielern etwas vorzeige. Manchmal muss man ihnen einfach demonstrieren können, was man meint - und auch, dass man es selber auch noch beherrscht.

Vor gut drei Jahren, bei Ihrem Einstieg als Trainer bei Concordia Basel, haben sie gesagt: Es war sicher gemütlicher, Spieler zu sein. Sehen Sie das immer noch so?
Ja, immer noch.

Warum? Wegen der Verantwortung?
Nein, es geht nicht um die Verantwortung. Natürlich, als Fussballspieler muss man nicht viel mehr als die Schuhe zubinden, auf den Platz gehen, spielen, dann duschen und sich darüber Gedanken machen, was man als nächstes tun will er lächelt. Aber Verantwortung trage ich gern, das war schon in meiner Jugendzeit innerhalb der Familie so. Und auch als Spieler wollte ich immer die Mitspieler in die Verantwortung nehmen. Nein, als Trainer geht es um andere Dinge, geht es um viel mehr. Vielleicht um eine andere Art von Verantwortung. Und der Trainer-Job ist halt schon etwas kopflastig.

Sie geben zu, als Profi-Fussballer seien Sie «kein Trainings-Weltmeister» gewesen. Und erst kürzlich, als Thun-Trainer, haben sie gesagt, sie seien «nicht der Chrampfer». Ist es mit dieser Einstellung überhaupt möglich, ganz nach oben zu kommen? Und sind Sie damit für die Spieler nicht ein zuwenig gutes Vorbild?
Das Wort Chrampfer höre ich nicht gern, aber das heisst nicht, dass ich nicht gern arbeite. Wie ich schon gesagt habe: Am Schluss zählt einfach das Resultat, daran wird man gemessen. Ich höre oft von Trainern, bei denen man einfach Kilometer abspulen, Lauftrainings absolvieren muss. Das habe ich schon zu meiner Zeit als Spieler anders gesehen, und ich will mich jetzt nicht ändern. Ich muss authentisch sein. Ich will nicht den harten Hund spielen. Ich machs auf die menschliche Art. Und ich lebe auch von der Spontaneität, ich liebe es zu improvisieren.

Ein weiterer Charakterzug von Ihnen ist, dass Sie kein Blatt vor dem Mund nehmen und andere Leute durchaus sehr offen kritisieren - auch bekannte Namen, etwa Trainerkollegen. Hat Ihnen nicht schon geschadet? Machen Sie sich damit nicht das Leben unnötig schwer?
Nein, wieso? Erstens wissen die Leute dadurch immer sofort, woran sie sind. Und umgekehrt sage ich ja auch, wenn ich jemanden oder etwas gut finde.

Bekannt ist auch, dass Sie eine sehr enge Bindung zu Ihrer Familie haben - die Besuche Ihrer Mutter, die mit dem Velo zu Ihren Trainings kam, sind legendär. Nach dem Ende ihrer aktiven Karriere haben Sie sich in einem offenen Brief ausdrücklich bei ihrem «Mami Emine» für ihre Liebe bedankt, ohne die Sie und Ihr Bruder Hakan «nie eine so erfolgreiche Karriere hätten machen können». Hat dieser Familiensinn mit Ihren türkischen Wurzeln zu tun? Für die Schweiz ist ja ein solches Verhältnis eher ungewöhnlich.
Das hat sicher mit der südländischen Kultur zu tun. Ich bin froh, dass ich diese beiden Seiten, diese beiden Einflüsse kenne und bei mir integrieren kann. Ich finde weder die türkische Kultur noch die schweizerische Kultur uneingeschränkt toll, aber ich kann die positiven Elemente von beiden nehmen, und die gute Mischung machts dann aus. Das ist es, was uns als Familie weitergebracht hat.

Liegt in Ihrer Familiengeschichte auch der Grund dafür, dass Sie sich mit einer eigenen Stiftung für Kinder und Jugendliche einsetzen. Ich bin übrigens etwas überrascht über dieses Engagement.
Überrascht? Warum?

Normalerweise sind es eher Leute im gesetzteren Alter, die solche Stiftungen errichten. Ich finde es beeindruckend, dass Sie sich so für eine soziale Sache engagieren, die relativ wenig direkt mit Fussball zu tun hat.
Danke! An dieser Stiftung ist übrigens er mitschuldig (Yakin deutet auf Patrick Martin; das Gespräch fand in dessen Patoro-Shop in Olten statt). Patrick hat mich mit Stephan Stamm zusammengebracht, mit ihm und seiner Frau zusammen führe ich die Stiftung. Unser Ziel ist es, benachteiligten Kindern in der Nordwestschweiz zu helfen, die in schwierigen Verhältnissen aufwachsen. Ich erinnere mich gut an meine Kindheit und Jugend, auch wir sind in schwierigen Verhältnissen aufgewachsen, in einer grossen Familie mit acht Geschwistern. Warmes Essen hatten wir zwar jeden Tag auf dem Tisch, aber wir wussten jeweils nicht, woher wir neue Fussballschuhe herbekommen würden. Deshalb will ich jetzt ein soziales Engagement weitergeben, da auch ich als Jugendlicher jeweils Unterstützung bekommen habe.
 
Sind Sie bei der Stiftung selber im Alltagsgeschäft aktiv?
In der Anfangsphase war es der Fall, die war sehr intensiv. Es ging darum, die ganze Aufbauarbeit zu leisten, man musste viele Leute überzeugen, sich zu engagieren. Dann ist die Sache ins Laufen gekommen, und der Aufwand hat abgenommen. In letzter Zeit haben wir die Aktivitäten zudem reduziert, wir veranstalten weniger Events als früher. Einerseits wegen der Wirtschaftssituation, die die Geldsuche schwieriger macht, und anderseits weil wir eine gewisse Übersättigung an solchen Veranstaltungen festgestellt haben. Diese Phase wollen wir aber nutzen, neue Ideen zu entwickeln.

Kommen wir zum Schluss noch auf ein anderes Thema: Sie gelten als ein Mensch, der auch geniessen kann. Was bedeutet für Sie Genuss?
Genuss ist für mich, dass ich mich zurückziehen kann, in den Kreis von guten Freunden oder sogar ganz für mich allein sein. Mich von der Hektik des Alltags zurückziehen. Dabei ein gutes Essen geniessen, ein Glas Wein, eine Cigarre. Wahrscheinlich täte es mir sogar gut, wenn ich etwas mehr relaxen könnte...

Finden Sie Zeit, um Hobbys zu pflegen?
Ich spiele gern Golf, seit 15 Jahren schon.

Handicap?
11,3

Oh, Respekt. Wie oft spielen Sie?
Leider nicht so oft, wie ich möchte. Vielleicht 4, 5 Turniere pro Jahr. Und natürlich bin ich gelegentlich sonst auf dem Platz oder auf der Driving Range. Aber ich kann in meinem Beruf und in meiner gegenwärtigen Situation sehr schlecht länger voraus planen, deshalb komme ich nicht so oft dazu, wie ich das möchte.
 
Dann sind Sie aber sehr gut mit diesem Handicap. Sie müssen ein absolutes Bewegungstalent sein.
Ich lerne rasch!

Auf welchen Plätzen sind Sie anzutreffen?
Mein Heimclub ist der Basler Golfclub La Largue, dann bin ich öfters in Davos. Und seit Kurzem natürlich auch in Thun - der Präsident des FC Thun ist auch Präsident des Golfclubs.

Haben Sie noch weitere Hobbys?
Viele künstlerische Dinge gefallen mir, und ich höre gern Musik. Dann esse ich auch gern - vor allem Mutters Essen schätze ich sehr. Ihre türkischen Spezialitäten sind echte Leckerbissen.

Vor einigen Jahren ging die Meldung durch die Presse, dass Sie als Schauspieler ins Filmgeschäft einsteigen wollen. 2004 haben Sie dann tatsächlich im Schweizer Film «Ferienfieber» mitgespielt. Ist aus Ihrer Filmkarriere seither noch mehr geworden, oder wird in Zukunft daraus eventuell noch mehr werden?
Höchstwahrscheinlich nicht. Das war damals eine extrem spontane Sache, wir logierten im gleichen Hotel wie die Filmcrew, und die haben mich angefragt, ob ich bei einer kurzen Szene von 2, 3 Minuten mitmache. Da habe ich zugesagt. Aber x Wiederholungen für eine einzige Aufnahme, das ist nichts für mich. Ich habe auch schon Werbespots gedreht und einmal erlebt, dass der Dreh für einen 30-Sekunden-Spot acht Stunden dauerte - nein, das ist wirklich nicht mein Ding. Man muss sich zudem überlegen, wo man überall mitmacht. Der Auftritt muss stimmen. Und ich habe gesehen, dass dies für mich einfach nicht stimmt.

Zum Thema Genuss gehört auch das Thema Rauchen. Wie ist es damit? Für einen Sportler ist die Verbindung mit dem Rauchen gewiss nicht unproblematisch, aber Sie haben sich dennoch spontan für dieses Interview und die Fotos mit Cigarre zur Verfügung gestellt.
Wir haben uns ja auch schon bei Meisterfeiern mit Cigarren im Mund fotografieren lassen. Mit Zigaretten wäre das nicht möglich. Aber Cigarren sind Genussmittel, das ist lässt sich mit Sport durchaus vereinbaren.

Wie oft rauchen Sie?
Vielleicht eine Cigarre pro Woche.

Welche Marke lieben Sie besonders
Natürlich die von ihm, die Patoro er deutet auf Patrick Martin und schmunzelt.

Ich höre ähnlich auf, wie ich angefangen habe: Gibt es eine Frage, die Sie noch nie bei einem Interview gestellt bekommen haben und die sie gern einmal beantworten möchten?
Denkt einen Moment nach: Nein, da fällt mir nichts ein. Doch halt, etwas möchte ich noch anfügen: Ich finde es immer amüsant, wenn ich mit meinem Bruder Hakan verwechselt werden. Aber oft können die Leute dann nicht mal den Namen richtig aussprechen, seinen oder meinen. Das kommt recht häufig vor.


Murat Yakin
Murat «Muri» Yakin, 35, war einer der besten und bekanntesten Schweizer Fussballer der jüngeren Vergangenheit. Er wuchs in Münchenstein bei Basel auf. Während 14 Jahren war er Profi und spielte unter anderem beim Zürcher Grasshoppers Club und beim FC Basel, dort zuletzt als Kapitän. Von 1994 bis 2005 gewann er mit seinen Clubs fünf Meister- und drei Cupsieger-Titel. Dazwischen spielte er kurz in Deutschland und in der Türkei. Ausserdem spielte er 50 mal für die Schweizer Nationalmannschaft. Mit ihr schaffte er es an die EM 2004 in Portugal.
Er galt als hochtalentierter Fussballer. Mit hervorragender Technik, gutem Kopfballspiel, mit Schusskraft und Spielinstinkt kompensierte er seinen selbst eingestandenen nur mässigen Trainingsfleiss, so dass er in den Clubs und auch in der Nationalmannschaft eine wichtige Rolle spielte. Handicapiert war er durch zahlreiche Verletzungen; aus diesem Grund trat er 2006 mit 31 Jahren relativ früh vom aktiven Spitzenfussball zurück.
Danach übernahm er die Trainierstelle bei Concordia Basel, dem Verein, bei dem er seine Karriere begonnen hatte. Ein Jahr später wurde er an der Seite von Hanspeter Latour Co-Trainer beim Grasshoppers Club. Sei der Saison 2009/2010 trainiert der den Challenge-League-Club FC Thun.
Murat ist der ältere Bruder von Hakan Yakin, der immer noch aktiv spielt und seit dieser Saison beim FC Luzern unter Vertrag steht.
Die Kinder- & Jugendstiftung Murat Yakin & Stamm wurde im Herbst 2002 von Stephan Stamm und Murat Yakin ins Leben gerufen. Primäres Ziel der Stiftung ist es, bedürftige und benachteiligte Kinder und Jugendliche im Raum Nordwestschweiz materiell und emotional zu unterstützen.
www.muratyakinkinderstiftung.ch

erschienen in Cigar 3/2009

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