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Die Dame liebt es kompliziert

Jetzt dringen die Frauen auch noch in diese Domäne der Männer ein: Sie tragen grosse und komplizierte mechanische Uhren. Der Vorteil: Jetzt können wir auch mal den Frauen ihre Uhren klauen und tragen.

Vielleicht hats ja mit der berühmten Werbung angefangen, die mit Sprüchen wie «Auch Werberinnen tragen diese IWC. Was haben wir nur falsch gemacht?» die Botschaft vermittelte, dass Frauen von komplizierten mechanischen Uhren gefälligst die Finger lassen sollten.

Was die Aargauer SP-Nationalrätin und Feministin Doris Stump zum Kommentar veranlasste: «Klar, dass es sich nicht lohnen würde, IWC für Frauen herzustellen; nicht weil Frauen diese Uhr nicht bedienen könnten, nein, zu wenig Frauen könnten sich eine solche Uhr überhaupt leisten.» Falsch geraten, Frau Stump.

Vielleicht hat die IWC-Werbung die Frauen erst auf den Geschmack gebracht. Denn jetzt sind sie auch noch in diese eine der letzten Domänen der Männer eingebrochen. Sie kaufen – oder tragen zumindest – heute gern auch komplizierte mechanische Uhren (Sorry, meine Damen, das soll keine Anspielung sein. Kompliziert ist ein einfacher Begriff aus der Uhrenwelt, er bezeichnet alles, was mehr als nur Stunden und Minuten anzeigt, siehe Kasten auf Seite 32) zu Preisen, mit denen man – und eben frau – fünfzig, hundert oder noch mehr Swatches erwerben könnte, die zudem noch wesentlich genauer laufen würden. Und Frauen tragen heute gern auch wirklich grosse Uhren.

Dem allgemeinen Trend zur Grösse, die bei den Herrenmodellen 50-Millimeter- Boliden hat wachsen lassen – zum Vergleich: Eine «normale» grosse Herrenuhr hat vielleicht 40 Millimeter Durchmesser oder allenfalls 2, 3 mehr –, haben sich auch die Frauen angeschlossen. Andersherum gesagt: Die Hersteller machen immer weniger die frühere klassische Trennung zwischen Damen- und Herrenmodelle. Und auch die raffinierte Mechanik findet immer mehr Liebhaberinnen. Die Hersteller freuts, wenn sie ihre teuren High-End-Modelle nicht mehr nur an den Mann sondern auch an die Frau bringen können. Zenith, eine Firma, die bis vor wenigen Jahren Aficionados wegen des berühmten Chronografenwerks El Primero in Entzücken versetzte, dieses technische Wunderwerk aber in relativ biedere Gehäuse verpackte, setzt heute auf auffallendes Design. Und bewirbt ihre Klötze, die zur Not auch zum Einschlagen eines Nagels gebraucht werden könnten, mit dem Slogan «His Watch … for Her»: «Vor einem halben Jahrhundert zogen die Frauen die Hosen an, die vorher den Männern vorbehalten waren. Heute bleiben sie feminin, aber sie lieben es, Objekte, die für Männer gemacht sind, zu entführen und mit Vergnügen zu tragen. Zenith verführt seinerseits die coolen Frauen mit seiner Defy-Kollektion, die eine klare männliche Botschaft aussendet: Kräftiger Körper, sportliche Ästhetik, High-Tech-Leistung!»

Kräftiger Körper – in der Tat: satte 46,5 Millimeter Gehäusedurchmesser. High-Tech-Leistung – auch das: Herz ist das El-Primero-Werk, dessen Unruh als einziges weltweit in einem Chronographenwerk fünf Mal pro Sekunde hin- und herschwingt und deshalb Zehntelsekunden messen kann (die anderen schwingen bloss vier Mal und können deshalb auch nur Achtelsekunden messen). Zudem haben diese «Damenuhren» ein Tourbillon, das ist in etwa die komplizierteste Komplikation, die es in der Welt der mechanischen Uhren gibt, völlig unnütz zwar, da seinerzeit (vor rund zweihundert Jahren) erfunden, um den Taschenuhren, die wie es der Name sagt, die meiste Zeit ruhig in der Uhrtasche vor sich hinlagerten, die negativen Einflüsse der Schwerkraft auszutreiben – bei einer Armbanduhr also wie gesagt völlig überflüssig, aber ein technischer Leckerbissen.

Von dem man im Übrigen trotz kleinem Bullauge im Zifferblatt nur ein paar Rädchen sieht, die eigentliche Funktion jedoch nicht. Aber es ist für Männer doch beruhigend zu erfahren, dass Frauen gelegentlich vor allem die inneren Werte schätzen… Einer der ersten, die den Trend erkannt haben, war – einmal mehr – Nicolas Hayek: Die Omega Speedmaster, die erste und bisher einzige Uhr, die auf dem Mond spazieren geführt wurde, gibt es seit einigen Jahren schon in Damenversion. Mit einem Gehäusedurchmesser von 35,5 Millimeter auch für schmalere Handgelenke passend, und dank Features wie Perlmutt-Zifferblatt, edelweissem Lederband und vor allem mit Diamanten besetzter Lünette klar positioniert; aber trotz dieser Ausstattung für 8600 Franken noch recht günstig. Unter der weiblichen Oberfläche tickt als typisch männlicher Wert ein mechanisches Chronographenwerk. Und nicht wenige Frauen wagen es sogar, das im Vergleich dazu ziemlich puristische Männermodell, die Speedmaster Professional, mit 42 Millimeter Durchmesser ums Handgelenk zu schnallen. Übrigens: steht ihnen in der Regel durchaus gut!

Heute haben viele Marken solche komplizierten Modelle im Angebot, die sie ganz gezielt für Frauen bewerben. Patek Philippe, der Rolls- Royce unter den Uhrenbauern, hat an der diesjährigen Basler Messe die Calatrava Travel Time gezeigt – ein schmucker Zeitmesser in Weiss- oder Rotgold für die Frau von Welt im buchstäblichen Sinne, nämlich mit zweiter Zeitzone. Und natürlich mit einem mechanischen Werk, das sogar von Hand aufgezogen werden muss. Den femininen Touch bringen 48 Diamanten von je ungefähr einem Karat, das Zifferblatt in weissem Perlmutt und das weisse Lederband. Ein Hingucker fürwahr, auch wenn das Preisschild mit dem Aufdruck «29500 Fr.» nicht mehr dranhängt...

Ähnlich die Master Compressor Chronograph Lady von Jaeger- LeCoultre: Dieser Hersteller ist wie Zenith einer, der ganz stark ist in der Technik. Und die Besonderheit der Compressor-Linie ist ein System, das Krone und Chronographendrücker «so hermetisch versiegelt wie die Luke eines U-Boots». Eine Eigenschaft, die frau ja allen Ernstes eher selten beanspruchen wird (und mann übrigens auch nicht). Dennoch: In dieser Serie bietet JLC sowohl ein Damenmodell an mit mechanischem Quarzwerk und einem Mid-Size- Durchmesser von 36,8 Millimeter, als auch das Basismodell in derselben Grösse, das explizit als «für Männer wie für Frauen tragbare Uhr» angepriesen wird.

Eine, deren technische Raffinessen auch jedes Männerherz höher schlagen lässt, ist die Millenary Ciel Etoilé von Audemars Piguet. Sie zeigt neben der Zeit das Datum mit einem Zeiger sowie die Mondphasen und die Gangreserve an – drei der eher seltenen Komplikationen. Die äusseren Werte bilden neben dem Perlmuttzifferblatt und dem Gehäuse wahlweise aus Rot- oder Weissgold vor allem die 112 Diamanten. Und wem dieses Modell für 42300 (Rotgold) beziehungsweise 48700 (Weissgold) zu bescheiden ist, wählt die Variante mit 388 Diamanten für 72800 Franken. Mit 3100 Franken dann wieder im recht tragbaren Preisbereich ist die Rado Ceramica angesiedelt, die im Herbst in den Handel kommt. Typisch für diese Marke ist eine männliche Eigenschaft, die aber schon seit langem auch viele Frauen fasziniert: die Härte. Rado ist der Spezialist für besonders kratzfeste Uhren; auch die neue Ceramica besteht aus so genanntem High-Tech-Keramik, einem Material der Härte über 1200 Vickers, also sechs mal härter als Stahl. Mit der Grösse von 35 mal 36 Millimeter passt sie gleichermassen an Männer- wie Frauenhandgelenke, und Rado unterscheidet denn auch nicht explizit zwischen den beiden Typen. Wobei das Modell mit 414 Diamanten für 25000 Franken sicher eher Damen- als Herrenhandgelenke schmückt.

Auch der Louis Vuitton Speedy Automatic Chronograph für 3700 Euro hat mit 40 Millimeter bereits ein echtes Gardemass. Und da die Merkmale wie Stahlgehäuse, automatisches Chronographenwerk, wasserdicht bis 100 Meter, Leuchtzeiger, Saphirglas mit Anti- Reflex-Beschichtung sie nicht gerade zu einer femininen Uhr machen, lässt sie sich auf Wunsch auch mit einem gelben Alligatorenlederband ordern. Über eine Besonderheit verfügt die TTouch von Tissot: Ihre verschiedenen Funktionen – Stoppfunktion, Wecker, Höhenmesser, Barometer, Temperatur und ganz neckisch: Kompass – lassen sich durch Antippen des Uhrenglases steuern. Die ersten Modelle sahen mit Stahlgehäuse und schwarzem Kautschukband im Vergleich mit anderen Multifunktionsuhren relativ schlicht oder sogar schon eher bieder aus. Doch bald schon kam das orangefarbene Kautschukband, dann das weisse Lederband, und jetzt mit der auf 2007 Exemplare beschränkten Sonderserie «Diamonds Danica Patrick» ist sie endgültig zu einer richtigen und edlen Damenuhr geworden: Titangehäuse – Tissot bezeichnet es als «feminin poliert» –, mit Diamanten besetztes Perlmuttzifferblatt und weisses Kautschukarmband.

Namensgeberin dieses Sondermodells ist die Autorennfahrerin Danica Patrick, welche die letzte Saison in der amerikanischen IndyCar-Serie in den Top Ten beendete – wenn sie nicht die ideale Botschafterin für eine solche Uhr ist… Und welche sportliche Frau möchte sich nicht ein solches elegantes und zugleich praktisches Schmuckstück für fast schon bescheidene 1295 Franken ums Handgelenk schnallen?

Ganz unprätentiös und mit 545 Franken sehr erschwinglich ist die Certina DS Podium Lady. Und vor allem ist sie vom Design her ein richtig klassischer Chronograph mit einem sauber aufgeräumten und übersichtlichen Zifferblatt. Den weiblichen Touch bringt das Zifferblatt in der Modefarbe chocolat zusammen mit dem gleichfarbigen Lederband. Eine Uhr, die nicht mehr zu sein behauptet, als sie ist, und die signalisiert, dass auch ihre Trägerin eine Liebhaberin schöner Dinge ist – wie einfach es sein kann, solche Botschaften auszusenden!

Wahrscheinlich haben die Kreateure der IWC-Werbung ganz genau gewusst, dass sich die Damen von ihren Warnhinweisen nicht abschrecken lassen. Und ganz bestimmt wissen die IWC-Leute selber, dass sie gar nichts falsch gemacht haben, und freuen sich selbstverständlich über jede Frau, die eine ihrer Uhren kauft und trägt.

 

Technik-Crash-Kurs

Meine Herren, wenn Sie einer Dame schon eine komplizierte mechanische Uhr schenken – und zu nichts anderem wollen wir Sie selbstverständlich mit diesem Artikel anstiften –, dann sollten Sie auch wissen, was Sie damit aus der Hand geben:

Eine Komplikation ist eine zusätzliche Anzeige neben der von Stunden und Minuten. Also etwa das Datum, der Wochentag, die Mondphase und so weiter. Eine der populärsten Komplikationen ist die Stoppfunktion, die in der klassischen Variante an meist drei kleinen Hilfszifferblättern zu erkennen ist. Eine solche Uhr mit Stoppfunktion wird als Chronograph bezeichnet. Ein Chronometer hingegen ist eine besonders genaue Uhr: Ein offiziell zertifizierter Chronometer wird bei einer unabhängigen Prüfstelle, der COSC (steht für Contrôle Officiel Suisse des Chronomètres) in La Chaux-de-Fonds, getestet, und wenn er die Prüfung besteht, bekommt er einen Ausweis mit den Ergebnissen. Ein so zertifizierter mechanischer Chronometer darf pro Tag nur ganz wenige Sekunden abweichen.

Solche Werte sind für Quarzuhren kein Problem, auch die billigsten sind viel präziser. Der Grund ist zum einen der, dass diese nur ganz wenige bewegliche Teile –mit Digitalanzeige überhaupt keine – haben, weshalb sich das mechanische Spiel kaum auswirkt. Eine mechanische Uhr hingegen hat je nach Ausführung vielleicht 200 bewegliche Teile, die ineinandergreifen und alle ein – wenn auch winziges – Spiel haben.

Ein weiterer Grund ist der, dass die Unruh einer mechanischen Uhr, welche den Takt angibt, üblicherweise 5 Mal pro Sekunde hin- und herschwingt. Bei einer Quarzuhr wird der Takt von einem Quarz bestimmt, der durch die Batterie dazu angeregt wird, 32 768 Mal pro Sekunde zu schwingen.

Diese Zahl ist nicht zufällig: Wird sie nämlich 15 mal durch 2 geteilt, bleibt 1. Ein integrierter Schaltkreis in der Quarzuhr halbiert die Schwingungszahl so weit, bis ein Impuls pro Sekunde übrigbleibt, und der lässt über einen winzigen Motor den Sekundenzeiger um eine Sekunde vorspringen.

Das heisst: Fällt bei einer mechanischen Uhr eine Schwingung aus, ergibt dies eine Gangabweichung von einer Fünftelsekunde, bei einer Quarzuhr ist es weniger als eine Zweiunddreissigtausendstelsekunde.

Der vermeintlich hohe Wert für eine mechanische Uhr relativiert sich hingegen, wenn man bedenkt, dass ein Tag 86 400 Sekunden hat; geht eine Uhr pro Tag 8,6 Sekunden vor, so ist das erst eine Abweichung von 0,1 Promille – ein sehr guter Wert, wenn man sich klar macht, welchen Stössen und anderen Bewegungen eine Armbanduhr ausgesetzt ist.

erschienen in Cigar 3/2007

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