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Give the people what
they want
Möglich, dass Sie diesen Namen noch nie bewusst
gehört haben, ausser wenn Sie auf einen bestimmten Musikstil
stehen: Albi Matter. Doch immerhin organisiert er das jedes Jahr das
längste Country-Festival der Welt und ist – neben
einigem anderem – AVO-Botschafter.
Es gibt Menschen, die machen es einem leicht.
Wer etwa als Journalist ein Porträt über Albi Matter
schreiben will, schickt diesem ein Mail, der ruft sofort
zurück, fragt: Wie wollen wir das machen, was stellen Sie sich
vor? und dann kann der Journalist sagen: Ich denke, ich komme einfach
mal bei Ihnen vorbei, Sie erzählen und ich höre zu.
So machen wir es denn auch, und Ende eines gut
fünfviertelstündigen Gesprächs hat man
erstens genug Notizen für das Porträt beisammen,
zweitens viel anderes Interessantes aus Matters Leben vernommen und
schliesslich auch noch Gott, die Welt, die Veränderungen der
letzten dreissig Jahre im Schreib- und Druckgewerbe, die
Zürcher Ausgangsszene und ein paar andere wichtige Dinge des
Lebens besprochen. Der Mann ist einer, der viel erlebt hat und viel und
gut zu erzählen weiss.
Albi Matter? mögen jetzt einige fragen. Gut, er ist nicht
Member der helvetischen Cervelat-Prominenz. Aber in einem
Bereich ist er der wohl bekannteste Schweizer: in der
Country-Musik-Szene. Im Januar startet zum 26. Mal das von ihm
musikalisch organisierte Internationale Country Music Festival in
Zürich, das mit siebeneinhalb Wochen und 38 Abenden
und Matineen das längste Country-Festival der Welt.
Wie Niklaus Troxler das Jazzfestival Willisau, hat Albi Matter das
Country-Festival dank jahrelangem,
unermüdlichem persönlichen Einsatz
und dank Kontaktpflege zu einem Event mit internationaler Ausstrahlung
gemacht. So dass es für die Stars eine Ehre ist, in
Zürich aufzutreten. Nennen Sie einen Namen aus der Szene
– sicher trat der schon mal im Albisgütli auf. An
der letzten Ausgabe im Januar 2009 standen zum Beispiel
Johnny-Cash-Schwiegersohn Marty Stuart und seine zweite
Ehefrau Connie Smith gemeinsam auf der Bühne, obwohl
es zuvor geheissen hatte, so Matter, dass «das Ehepaar
eigentlich nie zusammen auftritt». Stolz ist er auch darauf,
dass 1994 bei ihm die Dixie Chicks ihren ersten
Europa-Auftritt hatten, und «grad eben war ich in
Kanada, konnte die Nummer eins der dortigen Country-Szene verpflichten,
Johnny Reid. Auch für ihn es wird sein erster Auftritt in
Europa sein.»
Sofort relativiert er: «Obs funktioniert – wir
werden sehen; ich habe auch schon Flops produziert» Doch die
Gefahr ist klein, denn offensichtlich liegt Matter goldrichtig mit
seinen Devisen: «Give the people what they
want» und «Der Erfolg lässt sich
berechnen».
Den Leuten gibt er die Country-Musik, die sie hören
wollen, obwohl er selber musikalisch eher der 68er ist:
Beatles, Stones, Billy Joel, das sei seine Musik. Country
höre er privat wenig, aber bei der Auswahl für das
Festival spiele sein Geschmack keine Rolle.
Gefallen tun ihm die Klänge durchaus, noch mehr aber
schätzt er die Musiker. Dolly Parton kennt er
natürlich persönlich, «ich treff sie
jeweils in Nashville. Und wenn die Klatschzeitungen nur über
ihre grossen Brüste schreiben, ärgere ich
mich: Sie hat dermassen viel Charisma, ist dermassen
bescheiden. Ich bin von ihr sehr beeindruckt».
Auch über Willy Nelson, ebenfalls einen der
Allergrössten, spricht er bewundernd. «Ihn habe ich
einmal getroffen und auf seine Farm-Aid-Konzerte
angesprochen …»
Da muss der Journalist nachfragen: Farm-Aid?
«Das sind Benefizkonzerte für Farmer, die in
finanziellen Schwierigkeiten stecken; vor bald 25 Jahren hat er sie mit
ein paar Musikerkollegen zusammen ins Leben gerufen. Da sammelt er auch
schon mal rasch fünf Millionen Dollars. Als ich ihn darauf
ansprach, war er sehr erstaunt und erfreut
darüber, dass ich das wusste. Überhaupt nicht
überheblich.»
Völlig klar: Country bestimmt sein Leben. Für das
Festival arbeitet er das ganze Jahr, reist von Festival zu Festival, um
neue Talente zu entdecken, und pflegt bestehende Kontakte zu den
bereits bekannten Bands sowie zu Sponsoren, kümmert
sich um die Verträge. «Ich verdiene mein Geld hart,
arbeite sieben Tage die Woche», sagt er dazu – und
damit sind wir bei seinem zweiten Motto: «Erfolg kann man
ausrechnen, so wie eins plus eins zwei ergibt.»
Den Erfolg auszurechnen, damit hat Albi Matter offenbar schon
früh begonnen: Gelernt hat er vor Jahren einmal Buchdrucker,
aber er blieb nicht im Beruf, jobbte als Chauffeur, bei einer
Schallplattenfirma, in einem Lokal, wo er in Kontakt mit der Musik kam,
und kurzzeitig war er schon damals Manager einer Countryband.
Dann wollte er englisch lernen. Sein Vater, der in den
Fünfzigerjahren ein Patent entwickelt hatte, wie man
Badewannen vor Ort reparieren kann, ohne Ein- und Ausbau, stellte ihn
vor die Wahl: Kanada oder Australien. Da «Australien damals
noch nicht so angesagt war» und da er davon träumte,
von Kanada leicht in die USA zu wechseln und in Los Angeles ins Film-
und Musikbusiness einzutauchen, entschied er sich für
diese Variante.
Doch schon nach zwei Jahren kam er wieder in die Schweiz zurück, und 1979 landete er einen
ersten Coup: Er eröffnete in Zürich den Club «Big
Apple». Das war zu einer Zeit, als die Beizer noch um
Mitternacht die Stühle auf den Tisch stellten und das Licht
löschten, aber in einem Privatclub gab es keine Polizeistunde
– eine Gesetzeslücke. Die nützten nicht nur
die mehr oder weniger jungen Zürcherinnen und
Zürcher aus, sondern auch die internationalen Stars, die in
Zürich auftraten und nach dem Konzert noch auf einen oder
mehrere Absacker ins Big Apple reisten.
Nach zwei Jahren hatte Matter dann allerdings genug davon, immer bis
sechs, sieben Uhr morgens zu arbeiten. Inzwischen war er verheiratet,
hatte Kinder. Und entschied sich für die Familie. Kehrte zu Ex
Libris zurück. Führte Anfang der Achtzigerjahre bei
der Migros die Musik-CD ein. Und machte sich 1985 schon wieder
selbstständig mit einer Künstleragentur.
«Es gab natürlich Leute, die sagten: mit drei
Kindern, du spinnst ja. Und am Anfang mussten wir manchmal schon knapp
durch.»
Einer der ersten, mit denen er als Agent zusammenarbeitete, war Jeff
Turner, der australische Country-Sänger, der seit heute
dreissig Jahren in der Schweiz lebt. In der zweiten Hälfte der
Achtziger stellte er mit George Tännler, dem
Albisgütli-Geschäftsführer, das
Country-Festival auf die Beine. Zuerst dauerte es zwei Wochen,
irgendwann bekam es Eigendynamik, die Organisation wurde
professioneller. Heute, mit einer Dauer von 7,5 Wochen, «sind
wir schon an der Grenze angelangt», sagt Matter. Und mit
«800, 900 Personen pro Abend» kommt man alles
zusammen auf über 30 000 Besucherinnen und Besucher
– eine respektable Zahl.
26 Jahre, wie lange wollen Sie das noch machen, Herr Matter?
Antwort: «Ich habe grad neulich mit einem Kollegen
darüber geredet und gesagt, wahrscheinlich mach ich
das solange, bis ich tot umfalle. Andere sagen, sie hören
auf mit 60, ich habe noch nie ans Aufhören gedacht.»
Dabei ist das Country-Festival ja keineswegs seine einzige
Beschäftigung. April-Mai folgt dann bereits das
Dixie- und Blues-Festival, ebenfalls im Albisgütli.
Drei Mal hintereinander Donnerstag bis Sonntag kriegen die Fans
insgesamt ein Dutzend Konzerte ihres Lieblingsjazz’
vorgesetzt. Give the people what they want. Das ganze Jahr
über läuft seine Künstlervermittlung, und
immer wieder organisiert er grössere Kisten wie ein
Beatles-Musical oder die Weihnachtstourneen mit John Brack,
Jeff Turner und Maja Brunner.
Doch auch damit noch nicht genug. Sein jüngstes Kind kommt aus
einer ganz anderen Ecke: Seit einigen Jahren bringt er
«Stand-up-Bücher» auf den Markt:
Bildbände, aus denen beim Aufklappen ein 3-D-Panorama aus
Karton aufersteht. Die Bücher zeigen touristische
Attraktionen und Regionen der Schweiz, zusätzlich
erzählen sie die wichtigsten Fakten über die Region,
knapp zusammengefasst, dafür auf Deutsch,
Französische, Englisch, Chinesisch und Japanisch.
Souvenir-Bücher für Touristen – das ist auf
den ersten Blick nicht gerade die organische Diversifikation
für einen Künstleragenten und Konzertveranstalter.
Matter aber erklärt: «Die Bücher habe ich
gemacht, weil ich etwas von Büchern verstehe, weil ich
Bücher liebe, ich habe ja ursprünglich
Buchdrucker gelernt. Vor vielen Jahren habe ich in den USA ein
HarleyBuch mit 3-D-Bildern gesehen, das fand ich so genial, dass ich mir
vornahm, irgendwann wolle ich auch ein solches Buch machen.»
Verkaufen Sie diese Bücher gut?
Sie laufen OK, ich kann die Rechnungen zahlen, ist die Antwort. Nicht
überraschend: Reich wird man nicht damit,
aber sie sind für Albi Matter mehr Hobby als
Geschäft, «es ist für mich eine Berufung,
eine Leidenschaft.» Deshalb ist ihm auch die
Qualität wichtig, «sie ist ausgezeichnet, die
Bücher sind fadengeheftet, nicht geklebt, der Titel ist
hochgeprägt. Das kostet zwar Geld, das von der Marge abgeht,
aber das ist mir egal.»
Doch auch mit diesem Zusatzjob hat er noch nicht genug:
Zusätzlich ist er AVO-Botschafter, repräsentiert also
diese Cigarrenmarke bei Anlässen. Dafür ist er immer
wieder auf Achse: «Gestern beispielsweise war ich in
Rapperswil bei der Eröffnung der AVO-Lounge Bottega
von Andreas Stachl. Und heute Abend bin ich bei der
«Rock`n`Race Night», einer Veranstaltung der
Touring-Zeitung.»
Wie gut er AVO repräsentiert, zeigt er gleich: «Ich
rauche auch selber vor allem AVO, das ist die beste Cigarre,
da hat man die Garantie, dass sie zieht. Cigarren sind
für mich persönlich wichtig. Ich bin ein
Geniesser.»
Herr Matter, gibt es eigentlich eine Verbindung zwischen Country-Musik
und Cigarren?
Nein, eine direkte nicht, entgegnet er. Aber eine zwischen AVO und
Musik, Avo Uvezian ist ja selber ein begnadeter Musiker. Wieder der
Botschafter.
Und zum Schluss auch hier die obligate Frage in diesen Zeiten: Was
sagen Sie zu den Rauchverboten, und was bedeuten sie für Sie
und ihr Country-Festival?
Die Antwort überrascht nicht: «Ich bin gegen die
Bevormundung der Bürger. Ich bin der Meinung, der
Wirt solle entscheiden. Für uns heisst es, dass wir im
Albisgütli einen Rondodrom installieren, einen
überdimensionierten Iglu mit Glaswänden ausserhalb
des Gebäudes, in den wir die Musik direkt übtragen,
und wo die Leute rauchen können. Ich bin
zuversichtlich, dass wir diese Probleme
lösen können.»
Probleme pragmatisch zu lösen, das scheint ein weiteres Motto
von Albi Matter zu sein: «Wenn ich auswärts essen
gehe, reserviere ich im Raucherabteil. Aber wenn dann jemand am
Nebentisch isst, zünde ich die Cigarre nicht an, aus
Rücksicht. Denn wenn alle einen schräg anschauen,
wenn man raucht, kann man es nicht geniessen.»
Dann ist das Gespräch zu Ende, der Journalist hat viele
Blätter mit viel mehr Informationen vollgeschrieben,
als er brauchen wird, eine sehr anregende Stunde verbracht,
und beim Verabschieden streckt ihm Matter die Hand entgegen und sagt:
«Ich bi dr Albi».
Es gibt Leute, die machen es einem leicht, das Du anzunehmen. Danke,
Albi, für das Gespräch.
erschienen in Cigar 4/2009
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