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Eine zumindest tragbare Investition
Uhren sammeln ist ein faszinierendes Hobby. Und wenn die Börse abstürzt,
könnte manch einer versucht sein, hier eine sichere Geldanlage zu sehen.
Doch es ist wie mit jeder Investition: Rekordpreise und berauschende Wert-
steigerungen sind äusserst selten.
Zum Ersten, zum Zweiten, zum Dritten - und das Objekt der Begierde
gehört Ihnen. Ein erhebendes Gefühl, bei einer Auktion sich
gegen die Mitbieter durchzusetzen und die Uhr zu erstehen, auf die man
ein Auge geworfen hat. Auch wenn man sie vielleicht gar nie tragen
wird, oder gerade deswegen. Viele Sammelstücke verschwinden nach
dem Kauf gleich in eine Vitrine oder gar in einen Tresor, werden
höchstes bei besonderen Gelegenheiten in die Hand genommen und
ehrfürchtig betrachtet.
Und manch ein Sammler hofft - gerade in jüngster Zeit - darauf,
dass diese Preziosen eine krisenresistente Kapitalanlage sind und an
Wert zulegen, einfach indem sie liegenbleiben. Es sind denn auch
wirklich verlockende Nachrichten, die in den letzten Jahren über
bei Verkaufspreise veröffentlicht wurden:
So wechselte bei einer Sotheby's-Auktion im Jahr 1999 eine Taschenuhr,
hergestellt von Patek Philippe in den Jahren 1928 bis 1933, für 17
Millionen Franken den Besitzer - das ist der nach wie vor gültige
Weltrekord. Diese Uhr, die so genannte «Graves» nach ihrem
früheren Besitzer Henry Graves, ist ein technisches Wunderwerk mit
24 Komplikationen, also zusätzlichen Anzeigen neben den Stunden
und Minuten.
Die teuerste je gehandelte Armbanduhr war 2002 bei einer Auktion von
Antiquorum in Genf ebenfalls eine Patek Philippe von 1946, für sie
wurden 6,6 Millionen Franken bezahlt. Diese ist zwar aus Platin, aber
«nur» eine Weltzeituhr, sie zeigt auf der Drehlünette
41 Städte, Regionen und Länder der Welt und erlaubt es, die
dort aktuelle Zeit abzulesen.
Diese beiden Modelle sind allerdings nicht gerade ideale Beispiele
dafür, dass sich das Sammeln von Uhren lohnt. Sehr rare Modelle
oder gar Einzelstücke sind meist so teuer, dass man als
einigermassen normal verdienender Mensch keine Chance hat, sie zu
erwerben.
Manchmal wird auch eine kommune Rolex zu einer gesuchten Rarität
Doch es kommt durchaus vor, dass auch ganz kommune Uhren auf einmal
richtig wertvoll werden. Berühmtes Beispiel ist der
Rolex-Chronograph Daytona, der 1961 auf den Markt kam und den der
Schauspieler Paul Newman im Film «Winning» von 1969
über das Autorennen von Indianapolis trug. Diese Uhr mit
Handaufzug verkaufte sich in den ersten Jahren nicht gut, aber auf
einmal rissen sich die Sammler darum: 1989 bot Antiquorum an einer
Auktion in Hongkong eine goldene Paul-Newman-Daytona für 75000 bis
100000 Hongkong-Dollar an, 2002 stand das selbe Modell bereits mit
140000 bis 170000 Hongkong-Dollar auf dem Orospekt.
Auf eine solche Wertsteigerung zu spekulieren, ist allerdings nicht
gefahrlos. Es ist wie mit den Aktien: Man braucht schon ein
Goldhändchen oder anders gesagt sehr viel Glück, damit man
eine Uhr findet, die ihren Wert steigert. Und damit man diesen Wert
dann auch realisieren kann.
Geoffroy Ader, Direktor der Uhrenabteilung des Auktionshauses Sotheby's
Genève empfiehlt deshalb eine gesunde, kritische Distanz:
«Uhren sollten nicht als finanzielle Investition betrachtet
werden, sondern als langfristige Investition in eine Leidenschaft. Wer
eine Uhr erwirbt, sollte deshalb auch nicht auf eine mögliche
Wertsteigerung spekulieren, sondern dies aus einem echten
Sammlerinteresse heraus tun.»
Ob dies alle Käufer so sehen, ist allerdings zu bezweifeln. Dies
zeigt die Entwicklung der letzten Zeit, sowohl was die Zahl der
Verkäufe als auch die Entwicklung der Preise betrifft: Das Sammeln
von Uhren erlebte in den vergangenen 15, 20 Jahren einen regelrechten
Boom. Mit einer Phase des wirtschaftlichen Aufschwungs und dem
Entstehen von neuen reichen Käuferschichten auch in neuen
Märkten wie China und Russland stieg die Zahl der Sammler. Das
Internet tat seinen Teil dazu genauso wie die Industrie, die immer
kompliziertere, raffiniertere und teurere Uhren lancierte. Aurel Bacs,
Internationaler Direktor der Uhrenabteilung von Christie's, formuliert
es so: «Wie alle Bereiche des Kunstmarktes hat sich der
Uhrenmarkt über die letzten Jahre sehr positiv entwickelt, und er
ist zu einem integrierten Bestandteil des Kunstmarktes geworden.»
Immerhin haben - auch sehr teure - Uhren anders als viele andere
Kunstgegenstände auch eine ganz praktische Funktion, und anders
als etwa ein Gemälde sind sie alltagstauglich und im eigentlichen
Wortsinn tragbar: «Einige unserer Sammlerkunden tragen ihre
Topstücke, oft im Gegenwert eines Einfamilienhauses, diskret ins
Büro», sagt Aurel Bacs.
Heute wechseln allein bei den Auktionen der drei grossen Spezialisten,
die meist in Genf, New York und Hong Kong stattfinden, jedes Jahr
tausende Uhren den Besitzer: Antiquorum gibt die Zahl von 3400,
Christie's über 2400 und Sotheby's 2000 Stück an. Bei diesen
Verkäufen reicht die Spanne der ausgeschriebenen Preise von rund
5000 bis über eine Million Franken. Bei Versteigerungen anderer
weniger exklusiver Händler sind auch schon Stücke für
unter 1000 Franken zu erstehen.
Bisher scheint sich auch die Finanz- und Wirtschaftskrise noch nicht
massiv auf das Geschäft auszuwirken. Die grossen Häuser
melden von den Auktionen der Vorweihnachtszeit durchwegs gute oder sehr
Resultate, so erzielte Christie's Mitte November in Genf ein Ergebnis
von 17,8 Millionen Franken und verkaufte 88 Prozent der angebotenen
Ware.
Für die Zukunft gehen sie davon, dass das Top-Segment von der
veränderten Wirtschaftslage nicht stark betroffen sein wird,
beziehungsweise dass sich das Sammlerinteresse noch stärker auf
die besonders attraktiven und teuren Stücke konzentrieren werde.
Eine Anpassung der Preise nach unten sei allerdings nicht
auszuschliessen, insbesondere im mittleren Segment von 20000 bis 100000
Franken.
Patek Philippe - die führende Marke bei Uhrenauktionen
Wenn immer von Uhrenauktionen die Rede ist, fällt sofort etwas
auf: Die Genfer Marke Patek Philippe hat in diesem Geschäft eine
überragende Stellung. Keine andere erzielt so oft
Höchstpreise und so viele Preisrekorde, keine andere hat einen
vergleichbaren Ruf unter Sammlern.
Gefragt nach dem Grund äussert sich der Hersteller selber relativ
diplomatisch: «Die Preise werden durch den Auktionsmarkt
festgelegt. Die Sammler entscheiden, in welche Marke und in welches
Produkt sie investieren möchten. Das Ziel von Patek Philippe war
immer schon, eine Produktion von durchwegs exzellenter Qualität zu
garantieren, welche den hohen Ansprüchen unserer Kunden gerecht
wird.»
Direkter äussert sich Etienne Leménager, Direktor und
Uhrenexperte bei Antiquorum: «Patek Philippe ist in der Tat die
führende Marke bei Auktionen, ihre Modelle gewinnen manchmal
innerhalb eines Jahres 50 Prozent an Wert. Der Grund liegt in der
Qualität von Gehäuse, Zifferblatt und Werk, die besonders
hoch ist. Diese Qualität zeigt sich in allen Modellen der Marke,
etwa bei den Grossen Komplikationen, die zu Beginn des letzten
Jahrhunderts produziert wurden, wie auch bei den ersten Armbanduhren,
die später folgten. Ein Beispiel dafür sind die
Zifferblätter aus den Dreissigerjahren, die auch heute noch in
perfektem Zustand sind. Ausserdem ist Patek der einzige Hersteller, der
schon früh komplizierte Uhren in Serie herstellte, und diese sind
bei Sammlern besonders gefragt.»
Sehr gesucht ist weiter Rolex, auch diese Modelle «wegen der
legendären Qualität der Produkte und dann auch wegen dem
Renommée der Marke», wie Etienne Leménager sagt.
Daneben zählt der Antiquorum-Experte noch Vacheron Constantin und
Audemars Piguet zu den besonders interessanten Namen für Sammler,
allerdings eher für Spezialisten.
Für Aurel Bacs von Christie's ist das Spektrum der interessanten
Marken etwas breiter. Neben den bereits aufgezählten erwähnt
er Breguet, Cartier, IWC, Jaeger-LeCoultre, Omega sowie als eigentliche
Spezialität Urban Jürgensen.
Interessant für Sammler sind die kleinen, unbekannte Marken
Damit ist auch bereits der Bogen zu den konkreten Tipps geschlagen. Wer
als Sammler einsteigen will, dem geben Experten folgende
Ratschläge mit:
Die Top-Marken versprechen natürlich am ehesten eine
Wertsteigerung, und hier besonders Komplikationen mit limitierten
Serien - oder noch besser: deren Nummer 1. Allerdings sind hier schon
die Einstiegspreise in der Regel so hoch, dass sie für die meisten
Käufer ausserhalb der finanziellen Reichweite liegen. Eine Chance
können deshalb kleine, bisher nicht breit bekannte Hersteller
bieten wie der bereits erwähnte Urban Jürgensen sowie Namen
wie zum Beispiel Urwerk oder GreubelForsey, die beide auf der Liste von
Etienne Leménager stehen.
Unabhängig vom mehr oder weniger verlockenden Klang einer Marke
sollte man sich an die üblichen und im Grunde trivialen Regeln
halten, wie sie für jeden Kaufentscheid gelten: Sich informieren,
auf Qualität achten, sich für das entscheiden, was man kennt,
im Rahmen seiner eigenen Möglichkeiten zu bleiben. Oder wie es
Aurel Bacs formuliert: «Eine Goldregel ist immer das Beste zu
kaufen, das für ein bestimmtes Budget auf dem Markt angeboten
wird. Manchmal ist es auch weise, zu warten.»
Tipps für Sammler
Die Uhrenspezialisten der drei grossen Auktionshäuser geben Sammlern folgende
Ratschläge mit.
Aurel Bacs von Christie's:
• Vor jeder Auktion gibt es Besichtigungstage, wo man sich jede
Uhr genau anschauen und mit den Experten Informationen austauschen und
von ihnen Ratschläge einholen kann.
• Bevor man zum ersten Mal bei einer Auktion selber mitbietet,
sollte man mindestens einmal nur als Zuschauer dabei teilgenommen
haben, um den Ablauf zu kennen.
• Man sollte sich vor der Auktion entscheiden, welches Los man
ersteigern möchte und dann nicht während der Versteigerung
wechseln.
• Man sollte sich ein Limit setzen und dieses auch einhalten.
• Und schliesslich: Freuen Sie sich an der neu erworbenen Uhr!
Geoffroy Ader von Sotheby's Genève:
«Der Wert einer Sammlung bemisst sich nie nach der
Quantität. Das erste Kriterium ist immer die Qualität der
Stücke.»
Etienne Leménager von Antiquorum:
«Mein wichtigster Ratschlag ist das zu kaufen, was einem
gefällt, was man gern trägt oder tragen würde. Zweitens
empfehle ich für den Aufbau einer Sammlung, sich auf ein
bestimmtes Segment zu konzentrieren und sich nicht zu verzetteln. Und
drittens rate ich dringend, nur zu kaufen, was man kennt. Also die
Stücke vor dem Kauf genau zu prüfen und sich auch nicht
scheuen, die Meinung eines Experten einzuholen.»
Als guter Einstieg in das Thema ist auch das Buch «Uhren als Kapitalanlage»
von Michael Brückner aus dem Finanzbuchverlage geeignet.
Dann stellen die drei grossen Auktionshäuser auf ihren Websites
erste Informationen zur Verfügung, bei Antiquorum ist auch eine
Demoseite zu finden, auf der man testhalber bieten kann.
www.antiquorum.com, www.christies.com, www.sothebys.com
Der Einstieg
Die grossen Auktionshäuser bieten Uhren zu Ausrufpreisen von
einigen tausend Franken an. Auf diesem Weg kann man durchaus
Stücke von erstklassigen Marken erstehen, die man gut im Alltag
tragen kann.
Eine andere Möglichkeit und ein guter Startpunkt für eine
Sammlung ist der Besuch einer Uhrenbörse. So findet im
Zürcher Volkshaus zwei Mal jährlich
ein Uhrensammlermarkt statt (www.uhrensammlermarkt.ch),
dieses Jahr am 26. April und am 18. Oktober. Dabei werden nach Auskunft
des Veranstalters Alois Iten alle unbekannten und bekannten Marken
gehandelt. Zum grossen Teil Armbanduhren, aber auch Taschen- und
Grossuhren. Die preisliche Bandbreite reicht von der Billiguhr zu
Stücken für mehrere zehntausend Franken.
Einsteigern und Sammel-Neulingen empfiehlt Iten, vor dem Kauf bei
verschiedenen Händlern die Preise zu vergleichen und beim Kauf
zumindest eine Quittung mit der Händleradresse verlangen, bei
teuren neuwertigen Uhren sollte zudem ein Zertifikat oder
Garantieschein mitgeliefert werden.
Hinweise auf andere solche Börsen und Versteigerungen finden sich
zum Beispiel auf www.uhren-shop.ch unter dem Stichwort
Uhren-Veranstaltungskalender.
erschienen in Cigar 1/2009
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